Ex-Partner können ohne Mehrkosten neu über die Wohnung entscheiden
Ein Paar bemerkte erst nach der Trennung: Nicht sie, sondern er sollte die Wohnung bekommen. Laut OGH reicht die neue Einigung für die Einverleibung.
Wien. Wenn Ehepaare sich scheiden lassen – ob einvernehmlich oder wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft –, müssen sie dem Gericht eine Einigung über die finanziellen Folgen vorlegen. Zum Beispiel darüber, wer die Ehewohnung, die beiden je zur Hälfte gehörte, übernehmen und den anderen Teil auszahlen soll.
Ein Wiener Paar war sich darüber einig, bemerkte aber im Nachhinein, dass es falsch entschieden hatte. Das Grundbuch war zu dem Zeitpunkt mit der Änderung des Wohnungseigentums noch nicht befasst. Aber darf es dann eine andere Einigung der Eintragung zugrunde legen als die, die im Zuge der Einigung im Scheidungsverfahren getroffen wurde? Diese Frage wurde nun vor Gericht beantwortet, und zwar erst in dritter Instanz mit einem Ja.
Die beiden hatten bei der Scheidung vereinbart, dass die Frau die Eigentumswohnung ganz bekommen sollte. Doch noch bevor sie die Übertragung des halben Anteils beim Grundbuch durchführen ließen, kamen sie drauf, dass besser er die Wohnung und den damit verbundenen Kredit allein übernehmen sollte. Wiewohl als Notariatsakt errichtet, reichte die Abänderungsvereinbarung für das Bezirksgericht Innere Stadt Wien aber nicht: Es fehle ein Rechtsgrund wie Kauf, Tausch oder Schenkung für die neue, der ersten Vereinbarung entgegengesetzte Verfügung.
Höherer Steuertarif drohte
Das Gericht wollte also, dass die laut Scheidungsvergleich der Ex-Gattin allein zustehende Wohnung mit einem weiteren Vertrag zur Gänze dem Mann übertragen werde. Dies hätte freilich höhere Kosten für die Vertragserrichtung und vor allem Grunderwerbsteuer ausgelöst, nicht nur für den halben Anteil gemäß Scheidungsvergleich, sondern auch für den zusätzlichen Vertrag über die ganze Wohnung – noch dazu mit höherem Steuertarif.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen bestätigte diese Einschätzung in sehr knappen Worten. Ein außerordentlicher Revisionsrekurs, eingebracht von Anwalt Erwin Dirnberger, schaffte jedoch Abhilfe. Denn: Als Rechtsgrund zum Einverleiben eines Rechts im Grundbuch kämen nicht nur die „klassischen“ Rechtsgeschäfte zum Erwerb eines dinglichen (hier auf eine Immobilie bezogenen) Rechts in Betracht, sagt nun der Oberste Gerichtshof (OGH). „Kraft Privatautonomie können das vielmehr auch atypische Erwerbsgründe sein“ (5 Ob 101/23y).
Und: „Der Rechtsgrund für die in der Abänderungsvereinbarung verfügte Übertragung des halben Mindestanteils des einen Ehegatten an den anderen“ liege nach wie vor „in der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse“. Eine wie immer geartete Umgehungskonstruktion aus steuer- oder gebührenrechtlichen Gründen sei nicht zu erkennen.
(Mit freundlicher Genehmigung der Tageszeitung „Die Presse“ und Benedikt Kommenda. Der Artikel wurde am 19.12.2023 veröffentlicht.)
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