20.000 Euro wegen drei Schrauben verprozessiert: Schikane
Besitzerin einer Erdgeschoßwohnung ließ Mauer zum Nachbargarten aufstellen und stieß sich an Veränderungen nebenan. Ihre Klage war aber rechtsmissbräuchlich.
Wien. Die Größe eines Gartens korreliert nicht zwangsläufig mit der Energie, mit der seine Grenzen verteidigt werden. Sogar eine gegen null tendierende Beeinträchtigung kann mit enormem Aufwand bekämpft werden. Das zeigt ein Fall in einem Eigentumswohnhaus in Wien Donaustadt, zu deren Erdgeschoßwohnungen 70-Quadratmeter-Gärten gehören. Eine Wohnungseigentümerin hatte eine Mauer an der Grenze zu den Nachbarn, einem Ehepaar, aufstellen lassen. Der Streit darum verschlang mehr als 20.000 Euro – für nichts.
Die Schlauchrolle (links) und ihre Halterung (rechts), angebracht mit drei Schrauben, von denen eine in der Fuge situiert ist. Privat
Die Nachbarn hatten gar nichts einzuwenden, als die Frau vor mehr als zehn Jahren die bauliche Trennung vornehmen ließ. Auch nicht dagegen, dass die rund 20 Zentimeter dicke Mauer zwar unmittelbar an der Hauswand richtig positioniert wurde, aber ein wenig den rechten Winkel verfehlte und am anderen Ende sieben Zentimeter breit auf ihrem Grundstück stand. Und nicht dagegen, dass die Frau die Mauer auch als Sockel benützte und massive Natursteine darauf setzen ließ, deren Oberfläche an den sichtbaren Seiten unregelmäßig war und an der dicksten Stelle vier Zentimeter auf den Grundstücksteil der Nachbarn ragte.
Box für den Gartenschlauch
So weit, so friedlich. Zum Problem wurde die Mauer – vor allem, für deren Errichterin – erst, als die Nachbarn sich ohne zu fragen erlaubten, drei Löcher hineinzubohren. Die dienten dazu, mit ebenso vielen Schrauben eine Box für einen aufrollbaren Gartenschlauch anzubringen. Das Ehepaar ahnte nicht, dass die Frau von drüben sich gestört fühlen würde. Die sollte später auch zu Protokoll geben, sie „hätten sicher irgendeinen Konsens gefunden“, hätte man das Thema vorab besprochen.
So aber klagte die Frau von nebenan mit ihrer Rechtsschutzversicherung: Die Schlauchrolle müsse demontiert werden, der angebohrte Naturstein ausgetauscht, Porphyrplatten, mit denen die Nachbarn den nackten Beton am anderen Ende der Mauer verkleidet hatten, müssten entfernt werden. Der Versuch der ebenfalls rechtsschutzversicherten Gegenseite, mittels Haftungserklärung für etwaige Schäden eine gütliche Einigung herbeizuführen, scheiterte. Also nahm der Prozess seinen Lauf – eine Bewegungsform, die angesichts der schnellen Entscheidungen dreier Instanzen innerhalb von elf Monaten keine Übertreibung ist.
Das Bezirksgericht Donaustadt wies die Klage ab. Denn die verstoße gegen das „Schikaneverbot“: Wenn zwischen den Handlungen von Beklagten und den beeinträchtigten Interessen auf Klägerseite ein krasses Missverhältnis bestehe, sei eine Rechtsausübung missbräuchlich. Wie hier: Die Klägerin sei vor den umstrittenen Bohrungen einverstanden gewesen, dass die Nachbarn den anderen Teil der Mauer mit Platten verschönert hatten; auch punkto Schlauchrolle wäre eine Einigung möglich gewesen; und selbst mit den Löchern sei die Wand großteils nur in den auf die Beklagtenseite ragenden Teilen benutzt, eine in der Wand verlegte Wasserleitung nicht beschädigt worden. So gesehen trete das Interesse der Klägerin an der Wiederherstellung des vorherigen Zustands gegenüber den Interessen der Beklagten „offenkundig in den Hintergrund“, so das Gericht.
Zum selben Ergebnis, wenn auch anders begründet, kam das Landesgericht für Zivilrechtssachen. Es analysierte die Eigentumsverhältnisse an der Mauer: Als Wohnungseigentümer sind die Nachbarn dies- und jenseits der Mauer gleichermaßen am fest mit dem Boden verbundenen Teil der Liegenschaft berechtigt. Insofern mache es keinen Unterschied, ob der Wohnungseigentümer (die zuerst beklagte Ehefrau war mittlerweile verstorben) „eine Schlauchrolle an der gartenseitigen Wand seines Wohnungseigentumsobjektes oder an der Trennmauer zum benachbarten Grundstück einer anderen Wohnungseigentümerin montiert“, urteilte die zweite Instanz. Beide Mauern stünden im Miteigentum aller Wohnungseigentümer, das Einschlagen von Nägeln und das Bohren von Löchern für Schrauben sei vom ausschließlichen Nutzungsrecht des Wohnungseigentümers umfasst.
„Eine Querulantin reicht zum Streiten“
Dasselbe gelte für die Steinplatten, welche die Klägerin erst seit der Montage der Schlauchrolle störten. Insofern treffe die Einschätzung des Erstgerichts zu, dass die Klagsführung schikanös sei. Der Oberste Gerichtshof billigte das Urteil des Landesgerichts als „nicht korrekturbedürftig“ (5 Ob 222/23t). Die Kosten für drei Gerichte, zwei Anwälte und eine Sachverständige betrugen mehr als 20.000 Euro, berichtet Erwin Dirnberger, Anwalt der beklagten Seite. Dirnberger sieht den Spruch widerlegt, wonach zum Streiten immer zwei gehörten: „Es reicht eine Querulantin, um in einen Rechtsstreit bis zum OGH hineingezogen zu werden.“
(Mit freundlicher Genehmigung der Tageszeitung „Die Presse“ und Benedikt Kommenda. Der Artikel wurde am 04.03.2024 veröffentlicht.)
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